Jakob Friedrich Reiff

Zu Leben, Werk und Wirkung

  

   

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Vorläufiges zur Bedeutung

 

"Eine zweite Kantische Kritik"?

 

Wie Jakob Friedrich Reiffs Bedeutung einzuschätzen sei, darüber gingen schon zu seinen Lebzeiten die Urteile in erstaunlichem Grade auseinander. Ludwig Feuerbach nannte Reiff einen „verworrenen und unselbständigen Kopf“ (Brief an Christian Kapp 5. Febr. 1844), Karl Christian Planck hingegen sah in Reiffs Philosophie „eine zweite kantische Kritik in höherer Instanz“ (1844, S.941).    

Obwohl auch Reiff vom damals dominierenden Hegelianismus ausging, zählten zu seinen Gegnern eigentlich alle Fraktionen der hegelschen Schule. Nicht nur die politischen Linkshegelianer um Feuerbach und die theistisch orientierten Rechtshegelianer um Immanuel Hermann Fichte wandten sich gegen ihn, sondern auch die hegelsche Mitte, die, wie Rosenkranz oder Vischer, Hegels System weder politisieren, noch theologisieren, sondern lediglich einer Reform zu unterziehen oder auch nur weiter auszubauen trachtete. 

In dieser Gegnerschaft aller hegelschen Fraktionen dürfte sich aber eine der wichtigsten, auch von seinen Schülern - Sigwart ('Logik'), Planck ('Weltalter'), Noack, Snellman (der finnische 'Nationalphilosoph'), Schwegler, Kornbeck, Bayrhoffer, Vaihinger ('Philosophie des Als Ob') u.s.w. - nicht genügend gewürdigten Leistungen Reiffs widerspiegeln. Reiff nämlich unternahm es als einer der wenigen Denker seiner Zeit, Hegel durch immanente Kritik, also auf wirklich philosophische und strukturell fruchtbare Weise zu überwinden, - und zwar durch eine äußerst scharfsinnige Analyse des Anfangsproblems, als deren Resultat Reiff konstatiert: "Bei Hegel ist [...] der Unterschied eine reine Erschleichung" (Syst.d.Willensb. S.58). Erweist sich Reiff unter diesem Aspekt zwar nicht als zweiter Kant, so wird er doch als der einzige strenge und zugleich produktive Denker des Spätidealismus zu gelten haben.

Den produktive Aspekt der Reiff'schen Philosophie und damit Reiffs zweite bedeutende Leistung macht aber hauptsächlich sein Versuch aus, den Primat des Praktischen (wie er für die Frühzeit des Deutschen Idealismus kennzeichnend war) mit den logisch-systematischen Errungenschaften des späteren, spekulativen Standpunkts zu einem "System der Willensbestimmungen" (so der Titel seines Hauptwerks von 1842) zu vereinigen. In jeder ihrer Epochen ist dieser Gedanke ein Hauptstück der Reiff'schen Philosophie geblieben.    

Die Nähe der Terminologie des "Systems der Willensbestimmungen" zu J.G.Fichtes erster Wissenschaftslehre hat Reiff alsbald, zumal nach 1848, die Rubrizierung als "Fichteaner" zugezogen, welche die Philosophiegeschichtsschreibung seither bedenkenlos weitervererbt. Diese schlechte Tradition zu sprengen bedeutete einen großen Schritt auf dem Weg zu einer Neubewertung des gesamten Spätidealismus, die, nach dem Vorbild von Frühidealismus und Frühromantik, inzwischen wohl an der Tagesordnung wäre. 

Reiff - und hierin liegt, drittens, seine Bedeutung nicht nur für die Philosophiegeschichte, sondern auch für die Philosophiegeschichtsschreibung - dürfte geradezu dafür prädestiniert sein, als Ausgangs- und Bezugspunkt einer Rekonstruktion des Spätidealismus zu fungieren, sind doch seine Schriften über I.H.Fichte, K.Chr.Fr.Krause und J.V.Snellman in ihrer hellsichtigen Kritik noch immer unerreicht.     

   

 

Lebensdaten

 

1810, den 23. Dezember geboren in Vaihingen an der Enz als Sohn des Schmiedmeisters 

          Johannes Reiff  und der Susanne Margarethe Reiff geborene Knodel ( Vorfahren)

1825  Gymnasium in Stuttgart

1828  Tübinger Stift · Studium der evangelischen Theologie und der Philosophie

1833  Preisschrift über Dionysius Areopagita, gekrönt · Vikar in Rudersberg

1835  Repetent in den Seminaren Maulbronn und Schönthal

1837  Repetent am Tübinger Stift · erste philosophische Vorlesungen

1840  Stadtvikar in Stuttgart · Promotion zum Dr. phil.

1841  Habilitation · Lehrstuhlvertretung in Tübingen

1844  außerordentlicher Professor für Philosophie in Tübingen · Hochzeit mit der Vaihinger 

          Gastwirtstochter Luise Therese Lindauer (6 Kinder)

1855  ordentlicher Professor in Tübingen

1863  Ernennung zum Rektor der Universität Tübingen für ein Studienjahr

1874  Ritterkreuz I. Klasse des Ordens der Württembergischen Krone, Verleihung des 

          persönlichen Adels

1877  Emeritierung

1879, den 10. Juli in Tübingen gestorben; das denkmalgeschützte Grab befindet sich auf dem 

          alten Tübinger Stadtfriedhof (M II 10/11)

  Unterschrift

 

Bibliographie

1. Schriften von Reiff  

a.) Selbständige Publikationen

 

Der Anfang der Philosophie mit einer Grundlegung der Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften. Stuttgart: A.Liesching & Comp., 1840. ( Vorrede)

Das System der Willensbestimmungen oder die Grundwissenschaft der Philosophie. Tübingen: L.F.Fues, 1842.

Über einige wichtige Punkte in der Philosophie. Eine Dissertation. Tübingen: L.F.Fues, 1843.

Über die Hegel’sche Dialektik. Tübingen: H.Laupp, 1866. ( Volltext)

 

b.) Ausgewählte Aufsätze

 

Über das Verhältnis von Philosophie und Religion, mit der Beurtheilung der hauptsächlichsten gegenwärtigen Formen desselben. In: Tübinger Zeitschrift für Theologie. Tübingen: Fues, 1839, 4.Heft S.47-180.

Über I.H.Fichte, zur spekulativen Theologie. In: Theologische Jahrbücher. Tübingen: Fues, 1843, S.629-711.

Über Krause’s Philosophie. In: Jahrbücher der Gegenwart. Tübingen: Fues, 1845, S.105-183.

Über das Prinzip der Philosophie und die Idee des Systems der Willensbestimmungen. In: Jahrbücher für speculative Philosophie. Darmstadt: C.W.Leske, 1846, 1.Heft S.68-108.

Über den Begriff der christlichen Philosophie. In: Theologische Jahrbücher. Tübingen: Fues, 1848, S.197-227.

Über den Spinozismus in der Kantischen Philosophie. In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik. Halle: C.E.M. Pfeffer, 1856, S.181-223.

 

 

2. Schriften über Reiff

 

a.) Lexikoneinträge

 

Allgemeine Deutsche Biographie. Neudruck der 1.Aufl. von 1888, Berlin: Duncker & Humblot, 1970, Bd.27, S. 686 f.

Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste. Hg. von J. S. Ersch und J. G. Gruber. Dritte Section. O - Z. Hg. von M. H. E. Meier. 24. Theil. Leipzig: F. A. Brockhaus, 1848, S. 202-206.

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), 24.Bd., Nordhausen: Bautz, 2004

Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Philosophen. Bearb. v. Bruno Jahn. München: K. G. Saur, 2001, S. 338.

Brockhaus’ Conversations-Lexikon, in 16 Bänden. 13.Aufl. Leipzig: F.A.Brockhaus, 13.Bd. 1886, S.586.

Deutsche Biographische Enzyklopädie, hg. v. Walther Killy und Rudolf Vierhaus, 13. Bd., München 2003, S. 311

Eisler, Rudolf: Philosophenlexikon. Berlin 1912, S.586.

Enciclopedia Universal Ilustrada Europeo-Americana. Madrid-Barcelona-Bilbao 1923, Bd.50, S.351.

Die Gegenwart. Eine encyklopädische Darstellung für alle Stände. Leipzig: F.A.Brockhaus, 1851, S.294, 327-29, 333.

Larousse, Pierre: Grand Dictionnaire Universel du XIXe Siècle. Neudruck der Ausgabe 1866-1879, Genf-Paris: Slatkine, 1982, Bd.XIII Deuxième partie, S.875.

Philosophen-Lexikon. Verfaßt und hg. von Werner Ziegenfuß und Gertrud Jung. Berlin: W.de Gruyter, 1950. 2.Bd. S.331.

 

 

b). Arbeiten über Reiff

 

(Dieser Teil der Bibliographie kann leider erst nach Abschluß meiner eigenen Forschungen veröffentlicht werden.)

 

 

 

 

© 2000 Dirk Fetzer