Tübingen: H. Laupp, 1866
Nr. 2160 u. 2161 der ‚Hegel Bibliographie’, zusg. v. Kurt Steinhauer, Teil I, München 1980,
bzw. Nr. 02194-1 (für die zweite Auflage 1867) in Teil II, Band 1, München 1998.
Der Verlag H. Laupp ist aufgegangen im Verlag Mohr-Siebeck, Tübingen.
Die Paginierung bezieht sich auf die Erstausgabe 1866.
Fußnoten wurden, abweichend vom Original, als fortlaufende gesetzt.
Sperrungen des Originals erscheinen hier kursiv.
Hegel bestimmt
seine Methode in der Einleitung zur Logik[1]
in folgender Weise: Das Logische hat der Form nach drei Seiten: a) die
abstracte oder verständige, worin das Denken als Verstand bei der festen
Bestimmtheit und der Unterschiedenheit derselben gegen Anderes stehen bleibt;
b) das dialektische Moment ist das eigene Sichaufheben solcher endlichen
Bestimmungen und ihr Uebergehen in ihre entgegengesetzte; c) das Spekulative
oder Positiv-Vernünftige fasst die Einheit der Bestimmungen in ihrer
Entgegensetzung auf, das Affirmative, das in ihrer Auflösung und ihrem
Uebergehen enthalten ist.
Das
Eigenthümliche dieser Methode besteht demgemäss zunächst darin, dass sie im
ersten Moment die Berechtigung des logischen Gesetzes der Identität anerkennt,
im zweiten dieselbe aufhebt. Es scheint nicht möglich, beide Momente als
Momente des Denkens festzuhalten. Wenn die Nöthigung, etwas in seiner
Bestimmtheit, in seinem eigenthümlichen Inhalt zu fixieren und diesem Inhalt
gemäss von Anderem, vom Entgegengesetzten zu unterscheiden, in der Natur des
Denkens liegt, so scheint es, könne die Nöthigung, dasselbe nicht als es
selbst, sondern als Eins mit seinem Entgegengesetzten (A = non A), als in
dasselbe übergehend zu fassen, nicht in der Natur des Denkens selbst liegen, sondern
diese Fassung könne dem Denken nur durch den Gegenstand, durch die Erfahrung
aufgedrungen sein. „Es gibt[2]
nirgends weder im Himmel noch auf Erden, weder in der [/6]
geistigen noch in der natürlichen Welt ein so abstractes Entweder-Oder, wie der
Verstand solches behauptet.“ „Der Widerspruch[3]
bewegt die Welt, alle Dinge sind sich selbst widersprechend; dieser Satz drückt
gegen die Sätze der Identität, der Verschiedenheit, der Entgegensetzung, die
Wahrheit und das Wesen der Dinge aus. Der Widerspruch, worin Etwas in sich das
Negative seiner selbst ist, ist die Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit.“
„Wenn man die Vernunft auf die leere Identität reducirt, so wird sie glücklich
vom Widerspruche befreit durch Aufhebung alles Inhalts und Gehalts“.[4]
Hegel
geht somit über die logische Form des Denkens hinaus, um das Wirkliche als
solches, welches der logischen Form widerstrebt, zu erfassen. Er reflectirt auf
die Form des Denkens und das Verhältniss der Gegenstände zu dieser Form; so
entsteht die Frage: sind die Gegenstände dem Denken und ist das Denken den
Gegenständen angemessen, die Frage nach dem Verhältniss des Denkens zum Sein,
die Frage der Speculation. Hegel schliesst sich genau an das kantische Problem
an: wie sind synthetische Urtheile a priori möglich? d. h. wie können wir über
die blos logische Verknüpfung durch Identität zur realen synthetischen
Verknüpfung des Verschiedenen als solchen hinauskommen und letztere nothwendig
erkennen? Wie Kant die logische Form des Denkens als dem Wirklichen, der Erfahrung
nicht angemessen erkennt und über diese zum synthetischen Denken hinausgeht und
die Bedingungen desselben als der alleinigen Form der Erkenntniss erforscht,
wie hierin seine Kritik des Erkenntnissvermögens besteht: ganz in demselben
Sinne geht Hegel über das verständige Denken zum dialektischen, vernünftigen
Denken hinaus, um in diesem das reale, dem Wirklichen gewachsene Denken zu [/7] haben. Hegel weiss recht gut, dass die Philosophie
die Bahn zu verfolgen hat, welche ihr von Kant vorgezeichnet worden ist. „Das
Nächste“, sagt er[5], „in der
kantischen Philosophie ist diess, dass das Denken sich selbst untersuchen soll,
inwiefern es zu erkennen fähig ist. Heutiges Tags ist man über die kantische
Philosophie hinausgekommen, man will weiter sein, aber es fragt sich, ob diess
ein Vorwärts- oder Rückwärtsgehen sei; viele unserer philosophischen
Bestrebungen sind nichts anderes als das Verfahren der alten Metaphysik, ein
unkritisches Dahindenken.“ Hegel umgeht nicht die kritische Frage über die
Wahrheit und Realität des Denkens, sonden er erkennt sie als Frage, um sie auf
eine höhere Weise zu beantworten. Er geht nicht, wie Kant, durch die Anschauung
über das blosse Denken hinaus, um in ihr, in der apriorischen Form derselben
die Möglichkeit einer nothwendigen synthetischen Verknüpfung zu finden[6],
sondern durchs Denken selbst will er über das logische Denken
hinauskommen, damit das Denken als solches real sei. Das Denken untersucht sich
selbst, die Denkformen bestimmen an ihnen selbst ihre Grenze und zeigen ihren
Mangel auf; das logische Denken geht an ihm selbst über sich hinaus und geht
zum dialektischen und vernünftigen Denken fort. So ist[7]
das reine Denken selber allein im Stande, die Wahrheit der Dinge zu
erfassen; es bleibt nicht abstractes formelles Denken, sondern entwickelt sich
zum concreten (synthetischen), zum begreifenden Denken; das Denken ist damit
durch seine eigene Kraft dem Wirklichen gewachsen. Das dialektische Denken
besteht gerade darin, dass etwas, indem es in seiner Bestimmtheit für sich
fixirt wird, an ihm selbst sich [/8] als
sich selbst entgegengesetzt, als in sein Gegentheil übergehend zeigt.[8]
Desshalb ist die absolute Methode[9]
analytisch, sie findet die weiteren Bestimmungen des anfänglichen Allgemeinen
ganz allein in diesem selbst, aber sie ist ebensosehr synthetisch, denn sie
entwickelt aus demselben das Andere seiner selbst. Diese Verbindung des
Analytischen mit dem Synthetischen, vermöge welcher die Synthesis mit dem
Andern dem Dinge immanent ist, macht die Dialektik aus.
So
ist es die Dialektik, in welcher das Denken selbst sich untersucht, selbst
seine Grenze bestimmt und über sich hinausgeht und sich zum concreten realen
Denken fortbestimmt. Man darf[10]
über den Gegenständen, mit denen sich die Vernunft beschäftigt, nicht
vergessen, die Vernunft selbst zu erkennen. Man muss wissen, was Denken, was
Vernunft ist, um über den Gegensatz des blos logischen Denkens, das mit seinem
Princip der Identität an das Wirkliche nicht herankommt, und einer von
demselben unabhängigen Anschauung oder Erfahrung, welche allein das concrete
Wirkliche geben soll, hinweg zu sein. Hierin liegt die Erkenntniss der
wesentlichen Einheit des Denkens und des Seins (des Wirklichen).
Daraus
folgt dann aber auch, dass die erste Form des Denkens, welche in dem Princip der
Identität besteht, selbst in das reale Denken eingeht. Gerade darin, dass etwas
es selbst ist, sich fixirt, schlägt es – im realen Process – in sein Gegentheil
um. Das Gesetz der Identität ist daher selbst Gesetz des Realen, nur so, dass
es sich vom Gesetz des Gegensatzes nicht trennen läßt; die Identität mit sich
selbst ist der reale Ausgangspunkt des dialektischen Processes, an ihr
entzündet er sich. Der Verstand[11]
zeigt sich überhaupt in allen Ge- [/9]
bieten der gegenständlichen Welt, und es gehört wesentlich zur Vollkommenheit
des Gegenstandes, dass in demselben das Princip des Verstandes zu seinem Rechte
kommt; er ist mit seinem Gesetz das Princip der Gliederung eines Ganzen, z. B.
des Staates in feste bestimmte Unterschiede.
Auf
dieser realen Geltung der Form der Identität mit der Form des Gegensatzes
beruht die dritte Form des Logischen, die positiv-vernünftige, welche die Einheit
der Bestimmungen in ihrer Entgegensetzung, das Affirmative, das in ihrer
Auflösung und ihrem Uebergehen enthalten ist, auffasst. Erst in dieser Einheit
haben wir das ganze, concrete Denken und in diesem das Wirkliche als
solches.
So
ist die Methode der höchste und einzige Trieb der Vernunft, durch sich
selbst in Allem sich selbst zu finden und zu erkennen.[12]
Sie ist als die ohne Einschränkung allgemeine Weise oder als die unendliche
Kraft anzuerkennen, welcher kein Object, sofern es sich als ein Aeusserliches,
der Vernunft Fernes und von ihr Unabhängiges präsentirt, Widerstand leisten,
gegen sie von einer besonderen Natur sein und von ihr nicht durchdrungen werden
könnte.[13]
Die Differenz der Form des Denkens und des dem Denken gegebenen Inhalts ist
hiemit verschwunden; würde der Inhalt dieser Methode gegeben sein, so würde
derselbe als „von eigenthümlicher Natur“ angenommen[14],
was der Natur dieser Methode zuwider wäre; sie ist die Seele aller
Objectivität. Das Denken in seinen immanenten Bestimmungen und die wahrhafte
Natur der Dinge ist ein und derselbe Inhalt. Der Process des Denkens ist der
reale Process selbst. [/10]
Die
Hegel’sche Philosophie ist daher durch ihre Methode Idealismus, aber ein
Idealismus, in welchem der Gegensatz zum Realismus aufgehoben ist. Der
Idealismus besteht keineswegs nur in der Behauptung, dass die Welt, das Object
blosse Vorstellung ist. Von diesem Berkeley’schen Idealismus ist der Idealismus
Kant’s sehr verschieden. Dieser geht von der Reflexion auf die wesentliche Form
des Wissens aus, so dass dasjenige, was gewusst wird, sofern es gewusst wird,
sich nach dieser Form richten muss; der Geist wird in seinem Wissen nicht durch
die Dinge bestimmt, sondern er bestimmt sie darin durch seine eigenen Gesetze,
und die Gegenstände, die er weiss, denkt und anschaut, sind durch die Gesetze
des Denkens und Anschauens bestimmt. Der Idealismus ist der Ausdruck der
Autonomie des Geistes, welche nicht blos für das Wollen, sondern für das Wissen
ihre Geltung hat. Aber es kommt dem Idealismus nicht blos auf die
Angemessenheit der Gegenstände an die Form des Denkens, sondern umgekehrt auf
die Angemessenheit des Denkens an die Gegenstände an, so dass das Denken,
gründlich untersucht, durch seine eigenen Formen seine Differenz von den
Gegenständen aufhebe und damit der Beweis geliefert werde, dass die Gesetze des
Denkens Gesetze der Dinge sind. Diese realistische Tendenz hat der Idealismus
in der That schon bei Kant. Er will zeigen, wie wir reale synthetische
Verknüpfungen (z. B. das Caussalitätsverhältniss) a priori zu denken
vermögen, d. h. wie das Denken seiner innern Natur nach dem Wirklichen, der
Erfahrung, gewachsen sei, so dass seine Realität und Wahrheit auf seinen
eigenen innern Formen und Gesetzen beruht. Während nun Kant doch eigentlich
nicht im Denken selbst, sondern in der Anschauung die Realität der Erkenntniss
findet, indem nur vermittelst der Anschauung eine Verknüpfung des Verschiedenen
möglich ist und der Anschauung als solcher in ihrer sub- [/11] jectiven Form der Inhalt durch das Ding an sich als
Erscheinung gegeben wird: hat Fichte im Denken selbst, in seiner Form, ohne
aus ihr herauszugehen, ihren realen Inhalt nachzuweisen gesucht. Er fragt
nicht, wie Kant, wie sind synthetische Urtheile a priori möglich, sondern wie
ist der Satz: A ist A, wie ist das logische Denken möglich? Dieser Satz ist nur
im Ich und durch das Ich möglich, das Denken ist der Act des Ich, sich
schlechthin zu setzen; das Ich ist der ursprüngliche Inhalt dieser Form, und
damit das allein Reale: das logische Denken ist das reale Denken. Das Denken
hat somit in sich selbst, in seiner Form einen realen Inhalt, welcher dieser
Form schlechthin gemäss ist. So sehr hiemit die Subjectivität des Denkens
ausgedrückt ist, weil in ihm nur das Ich sich selbst setzt, so wurde doch
hiemit die Kantische Subjectivität des Denkens beseitigt, worin dasselbe nur auf
Erscheinungen eingeschränkt ist, und das Ding an sich jenseits des Denkens
fällt; im Ich ist das Reale selbst innerer Inhalt des Denkens und das Gesetz
des Denkens ist das Gesetz des Seins selber. Fichte ist damit in der That nicht
subjectiver Idealist, sondern er ist Realist. Die spätere Philosophie hat diese
Identität des Denkens und des Seins festgehalten, und sie nur aus den
subjectiven Schranken des Ich herausgehoben. Es wurde hiemit zunächst der
Kant’sche Begriff, dass nicht das logische Denken, das nur durch Identität
verknüpft, sondern das synthetische Denken, welches, wie im
Caussalitätsverhältniss Verknüpfungen des Verschiedenen denkt, welches aber
allein durch die Anschauung sich vollziehen kann, Realität habe, aufgegeben.
Jedoch wollte Fichte gerade im nothwendigen Denken selbst die Quelle dieser
Synthesis nachweisen. Indem der ursprüngliche reelle Ausdruck des Satzes: A ist
A, der Act des Ich ist, sich schlechthin zu setzen, ist damit auch der
ursprüngliche reelle Ausdruck des Satzes: A non est non A [/12] der Act des Ich, sich ein Nichtich entgegenzusetzen;
es ist das nothwendige Denken, welches als ursprüngliche Einheit der Form und
des Inhalts sich in diesen beiden Handlungen darstellt; die Gesetze des Denkens
sind ursprünglich metaphysische Gesetze des Seins, und wir brauchen aus dem
nothwendigen durch seine wesentliche Form bestimmten Denken gar nicht
herauszugehen, um zum Sein, zum Inhalt desselben zu kommen, als ob es für sich
eine blosse leere Form wäre; die blosse Form des Denkens ist vielmehr nur von
diesem Inhalt, dessen Form sie an sich ist, abstrahirt. Die Handlung der
Entgegensetzung ist nun zwar von der Setzung im ersten Grundsatze unabhängig;
jene lässt sich aus dieser nicht ableiten. Aber die Einheit des Bewusstseins,
die Identität des Ich ist doch die Bedingung der Entgegensetzung; nur im Ich
kann dem Ich ein Nichtich entgegengesetzt werden. Diese Einheit des
Bewusstseins, welche die Bedingung der Entgegensetzung selbst ist, macht eine
Vereinigung, eine Synthesis des Entgegengesetzten nothwendig, welche der dritte
Grundsatz ausspricht. Indem das Ich im absoluten Setzen seiner selbst sich ein
Nichtich entgegensetzt, indem hierin das nothwendige und an sich reale Denken
sich ausdrückt, drückt sich dieses Denken auch in der Synthesis des
Entgegengesetzten aus. So will Fichte im Denken an und für sich die Synthesis
des Entgegengesetzten aufzeigen, und das an sich reale Denken, welches seinen
Inhalt im Ich hat, als diesen Process der Synthesis, welcher von der Thesis und
Antithesis ausgeht, darstellen.
Die
Hegel’sche Dialektik schließt sich aufs Genaueste an diese Tendenz des
Fichte’schen Idealismus an. Das Denken ist an sich real, es hat in sich einen
Inhalt, der seiner Form angemessen ist, und dieser Inhalt ist eben darum das
allein Reale. In diesem Denken ist somit der Gegensatz eines Subjectiven und
Objectiven aufgehoben. [/13] Das
reine Wissen, welches das Ich sein soll, benimmt dem Ich seine beschränkte
Bedeutung, an einem Objecte seinen unüberwindlichen Gegensatz zu haben.[15]
Hegel nimmt daher die Einheit des Denkens und des Seins, welche das Wesen des
Ich ausmacht, aus dem Ich heraus, damit sie wirklich diese Einheit sei, damit
der Idealismus zur Wahrheit werde, für welchen das Denken das Reale und das
allein Reale ist.[16] Aber es ist
nun bei Hegel dieses absolute Denken, welches nicht mehr als subjectives Ich
einen Gegensatz am Objectiven hat, derselbe Process, wie bei Fichte. Seine
Grundform ist zunächst ebenfalls die Form der Identität, und der Inhalt,
welchen es durch diese Form sich selbst gibt, ist das reine unterschiedlose
Sein. Darauf, dass das Denken in seiner wesentlichen Form seinen Inhalt hat,
dass es im reinen Gedanken des Seins allen von ihm unabhängigen Inhalt
vernichtet, und nichts als wirklich anerkennt, was seiner Form unangemessen
ist, dass in diesem Begriff des Seins die idealistische Kraft des Denkens sich
ausdrückt, darauf allein beruht es, dass das Denken vom Sein aus als dem ersten
Begriff durch rein immanente Selbstbestimmung in einem nichts von aussen
hereinnehmenden Gange sich entwickelt. Diese Entwicklung geht nun auch bei
Hegel durch Entgegensetzung vor sich, welche aber nicht zur ersten Thesis
unabhängig von ihr hinzukommen kann, sondern aus der ersten Identität, dem
Sein, entspringt selbst ihr Gegentheil, ihr Negatives; und eben darum ist
dieses Negative an ihm selbst wieder Eins mit dem Ersten. In der Fichte’schen
Wissenschaftslehre ist „das Ich[17]
als das Unbegrenzte genommen, so dass dieses abstracte Ich für sich das Wahre
sein soll, und die Beschränkung, das Negative überhaupt, hinzukommt. [/14] Die im Allgemeinen oder Identischen, wie im Ich,
immanente Negativität aufzufassen, war der weitere Schritt, den die speculative
Philosophie zu machen hatte.“ In dieser immanenten Negativität, vermöge welcher
der Gegensatz selbst in der ursprünglichen Identität entspringt, besteht die
Dialektik. Das Denken, welches in der Identität seine Form und mit dieser Form
in sich selbst seinen realen Inhalt hat, wird nicht durch eine fremde von ihm
unabhängige Macht in den Gegensatz hineingezogen, wesswegen bei Fichte dieser
Gegensatz in der Einheit des absoluten Ich überwunden werden soll, aber nicht
überwunden werden kann, sondern es vollzieht sich selbst in der
Entgegensetzung, es geht selbst in diese ein, um sich damit auch wirklich in
sich wieder zur Einheit zurückzuführen. Es ist damit an ihm selbst reales,
synthetisches Denken, es entwickelt darin seine ganze, ihm eigenthümliche
Kraft; es ist durch seine Form selbst dem Realen angemessen; und der
Idealismus, in welchem das Denken durch sich selbst über sich übergreift, und
das Wirkliche zu seinem innern Inhalt hat, hat hiemit – so scheint es – seinen
Begriff erreicht.
Wir
haben im Bisherigen die Tendenz der Dialektik rein objectiv zu bestimmen
gesucht. Es wird sich nun aber fragen, in welcher Weise diese Tendenz zur
Ausführung gelangt. Während Kant aus dem logischen Denken, das blos durch
Identität verknüpft, zur Anschauung herausgeht, in welcher allein die reale
synthetische Verknüpfung des Verschiedenen als solchen möglich ist, führt bei
Hegel die Tendenz, im Denken selbst unabhängig von der Anschauung die Form des
Realen als solche nachzuweisen, wie bei Fichte darauf zurück, dass die Form des
logischen Denkens die Form des Realen, das Gesetz der Identität das Gesetz des
Seins ist: in diesem Sinne ist, wie wir schon bemerkt haben, das Sein, der
reine Gedanke, der Ausgangspunkt der Entwicklung des Denkens, welche zugleich
eine Ent- [/15] wicklung des Realen ist. Im
Sein ist aller gegebene Inhalt für das Denken verschwunden; in ihm hat es
seinen innern Inhalt, der ihm schlechthin angemessen ist, es ist darin für sich
selbst, und gibt sich selbst seinen Gegenstand; es hat in ihm seine Freiheit;
es hat in ihm seinen Standpunkt gewonnen. Wenn Hegel sagt, es liege im Begriff
des Anfangs, dass er das Unmittelbare und damit das Sein sei, dass der Anfang
nicht schon ein Vermitteltes sein könne, weil in letzterem schon von einem
Ersten zu einem Zweiten hinausgegangen und Etwas als Einheit von
Unterschiedenem gesetzt sei, so sieht man, dass in diesem Sein die reine Form
des logischen Denkens sich ausdrückt, welches als solches nur ein mit sich
Identisches denkt und jede Verbindung von Etwas mit einem Andern ausschliesst.
Dieses Denken ist daher das Princip der Logik, das Princip der Philosophie. Das
Sein ist der reine Ausdruck des Gesetzes der Identität. Es ist nur sich
selbst gleich[18], und auch
nicht ungleich gegen anderes, hat keine Verschiedenheit innerhalb seiner, noch
nach aussen; es ist in der That das A = A und nichts anders. Nicht das Ich,
nicht die absolute Indifferenz ist der Anfang, denn innerhalb dieser Formen ist
schon Vermittlung.[19]
Auch das Ich ist zwar der reelle Ausdruck des Satzes: A ist A, der
ursprüngliche Inhalt dieser Form, aber er schliesst doch schon eine
Unterscheidung des Subjects und Objects, und die Aufhebung dieses Unterschiedes
in sich. Hegel hebt daher das reine Denken mit dieser Form aus dem Ich heraus,
um ihm im Sein, dem Unterschiedlosen, seinen schlechthin adäquaten Inhalt zu
geben. Die Schelling’sche Indifferenz des Subjectiven und Objectiven beruht
ebenfalls darauf, dass das Denken mit seiner Form aus dem Ich, dem blos
Subjectiven, herausgenommen wird, damit die Einheit des Denkens [/16] mit dem Sein wirklich gesetzt werde, damit die
Vernunft wirklich Alles sei, und das höchste Gesetz der Vernunft, die
Identität, Gesetz alles Seins sei. Aber die Bestimmung der Vernunft, dass sie
Indifferenz des Subjectiven und Objectiven ist, schliesst doch schon im Sinne
Hegel’s eine Unterscheidung und Aufhebung dieser Unterscheidung in sich. Hegel
hält mit Fichte und Schelling die reale Bedeutung der Form der Identität fest;
das Denken ist schlechthin für sich selbst, alles was ausser ihm ist, ist in
ihm verschwunden, es gibt sich durch seine Form seinen Inhalt, aber dieser Inhalt
muss auch dieser Form schlechthin angemessen, er muss das Unmittelbare, das
Unterschiedlose sein. So ist das Sein der reine Gedanke. Aus dieser reinen
Form, nicht dadurch, dass man schon einen bestimmten Inhalt, wie das Verhältnis
von Subject und Object in sie hineinlegt, muss sich daher auch die
Bestimmtheit, der Unterschied erst entwickeln. Diese bis zum höchsten Punkt
getriebene Reinigung des reinen, durch seine blosse Form bestimmten Denkens von
allem Inhalt, der nicht völlig in diese Form eingeht, so dass das rein
gewordene Denken das allein Reale ist, diese Freiheit des Denkens[20],
welche von allem abstrahirt und ihre reine Abstraction, die Einfachheit des
Denkens erfasst, enthält unmittelbar auch den Trieb, aus dem rein
Unterschiedlosen den Unterschied, den Gegensatz zu erzeugen. Beides, die
vollendete Reinheit des Denkens und die alleinige Realität desselben in dieser
Reinheit, vermöge welcher in seiner Form der dieser Form schlechthin
angemessene Inhalt, als das allein Reale, ausser welchem nichts ist, gesetzt
ist, ist das Motiv der Dialektik; denn sie hat aus dem Identischen den
Unterschied zu erzeugen, im Identischen ist noch kein Unterschied gesetzt, er
ist aus demselben gänzlich eliminirt worden; [/17] und
wie es zuerst darauf ankam, das rein Identische zu setzen, so kommt es nun
darauf an, das Nichtidentische, den Gegensatz als solchen zu setzen, das, was
wir als mit sich identisch gedacht haben, als sich selbst entgegengesetzt zu
denken. Gerade wenn wir die reine Form des Denkens mit ihrem Inhalt
zuerst festhalten, wenn wir mit der Identität Ernst gemacht haben, haben wir
auch den Unterschied, den wir nicht zu ihr hinzudenken, sondern aus ihr erst
entwickeln müssen, im strengen Sinne zu nehmen; er besteht darin, dass mit dem
Ersten sein Gegentheil gesetzt ist; das Denken, welches die Identität setzt,
treibt zu einem andern Denken, dem dialektischen Denken fort.
Die
Art, in welcher diess geschieht, zeigt, mit welcher Strenge Hegel den
gewonnenen Standpunkt festhält. Das Sein, weil es nur sich selbst gleich und
auch nicht ungleich gegen Anderes ist, ist die reine Unbestimmtheit und Leere,
es ist in der That Nichts, nicht mehr noch weniger als das Nichts. „Weil das
Sein das Bestimmungslose ist, ist es nicht die (affirmative) Bestimmtheit, die
es ist, nicht Sein, sondern Nichts“.[21]
Also gerade desshalb, weil das Sein das Unterschiedlose ist, ist es nicht Sein,
sondern das Gegentheil seiner selbst, das Nichts. Der erste Begriff, in seiner
ganzen Strenge festgehalten, worin die Form des Denkens allen Inhalt, der von
ihr verschieden ist, in sich aufgelöst hat, ist das Gegentheil seiner selbst;
es ist das volle Bewusstsein über die Natur dieses Begriffs selbst, welches
über ihn hinaustreibt. Man sollte meinen, Hegel habe nur die Kritik des reinen
Gedankens vollziehen wollen, wenn er sagt, derselbe sei die absolute
Abstraction, das Sein sei Nichts, es sei nichts in ihm anzuschauen, zu denken,
es sei nur das leere Denken selbst. [/18] Denn
gewiss, wenn der reine Gedanke das leere Denken ist, so ist er die Form des
Denkens ohne Inhalt, und die ganze Realität fällt ausser diesem leeren Denken.
Die von Hegel vollzogene vollendete Reinigung des Denkens von einem ihm
unangemessenen Inhalt zum reinen unterschiedlosen Sein offenbart nur die
Leerheit, die Inhaltslosigkeit dieses Denkens, und es muss daher entweder zum
empirischen Denken zurückgegangen werden, welches nur den ihm gegebenen Inhalt
auffasst, oder wenn der metaphysische Standpunkt festgehalten werden soll, für
welchen doch die wesentliche Form des Denkens die Form des Realen ist, muss ein
anderes Denken an die Stelle dieses logischen Denkens treten, dessen Form nur
die Identität ist; der Inhalt dieser Form ist nur das Sein, das Leere, die
Inhaltslosigkeit selbst; wir haben an demselben Nichts, keinen Begriff, um die
Masse des Gegebenen anzufassen und das Reale in ihr zu erkennen. Gerade aber in
dieser Erkenntniss, dass das Sein Nichts, das Inhaltslose und Leere ist, soll
der Unterschied aus der ersten Identität erzeugt werden; in diesem Nichts soll
das Princip der Entwicklung, die Quelle alles Inhalts liegen. Es mag in dieser
Beziehung nicht uninteressant sein, an die Kritik des Fichte’schen Idealismus
zu erinnern, welche Hegel in der Abhandlung „Glauben und Wissen oder die
Reflexionsphilosophie der Subjectivität“ gegeben hat.[22]
„Das Erste und einzig Gewisse bei Fichte“, sagt Hegel, „ist nichts als das
reine Wissen, in welchem das rein Formelle des Wissens mit Abstraction von
allem Inhalt gewusst wird. Aber Fichte’s Weise, nur vom Wissen, nämlich nur der
leeren Identität zu wissen, bereitete sich durch ihren eigenen Formalismus
einen Weg zum Besondern; die Leerheit des Wissens wird Princip des Fortgangs;
das völlig Leere, womit angefangen wird, hat [/19] durch
seinen absoluten Mangel den Vortheil, in sich immanent die Nothwendigkeit zu
tragen, sich zu erfüllen, zu einem Andern fortgehen zu müssen; das Princip ist
durch seine unendliche Armuth die unendliche Möglichkeit des Reichthums. Die
Einsicht aber, dass in dem absolut Gesetzten ein Mangel ist, ist allein durch
das Bewusstsein möglich, dass zum Behuf des reinen Wissens abstrahirt worden
ist von allem Fremdartigen, das nachher wieder aufgenommen wird.“ So erkennt
Hegel den wahren Gehalt des Ich, dass es die leere Form des Denkens ist, „der
reine Begriff, zu dessen Unbestimmtheit die Bestimmtheit hinzukommt.“ In der
Logik erkennt er eben so diesen Gehalt: das Ich ist das Sein, welches gleich
Nichts ist. Aber diese Kritik des reinen Gedankens ist nicht Kritik, sondern
Darstellung seiner Entwicklung, seiner Selbstbestimmung; durch seine Leerheit
soll das Sein sich selbst erfüllen und die unendliche Armuth ist nicht blos,
was zuzugeben ist, die Möglichkeit, sondern die Quelle seines unendlichen
Reichthums; und die Hegel’sche Kritik des Fichte’schen Idealismus leidet daher
ihre volle Anwendung auf seine Logik.
Das
Denken ist im Sein das volle, und es ist, weil das Sein Nichts ist, das leere;
d. h. das logische Denken, das in der Form der Identität besteht, ist das reale
und es ist nicht das reale; es tritt ihm an sich ein anderes Denken
gegenüber. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es interessant zu sehen, wie Kuno
Fischer[23]
einen Gegensatz des Nichts gegen das Sein nachzuweisen versucht hat. Das Sein
ist ihm der abstracteste Begriff, die allgemeinste Vorstellung, die unterschiedlose
Einheit, die nicht weiter aufgelöst werden kann. Es schliesst alle
Unterschiede, alle unterscheidende Thätigkeit von sich aus, es ist inhaltlos,
somit auch widerspruchlos. Im Sein an [/20] und
für sich lässt sich ein ihm Entgegengesetztes nicht nachweisen. Aber das Sein
ist wesentlich Begriff, Denkobject, es ist Denkact. Sobald es so betrachtet
wird, ist der Widerspruch im Sein einleuchtend. Es ist als Sein, als Einheit
die Bejahung des Denkens, aber weil es alle unterscheidende Thätigkeit aufhebt,
ist es ebenso die Verneinung des Denkens, welches wesentlich zugleich
unterscheidende Thätigkeit ist. Das Denken muss den Begriff des Seins zugleich
bejahen und verneinen, er ist dem Denken gleich und ungleich. Auf diese Weise
ergibt sich, dass das Sein sowohl ist, als nicht ist, und das Nichtsein bildet
einen Gegensatz gegen das Sein, es ist nicht der blosse Ausdruck der
Unbestimmtheit des Seins selbst.
Offenbar
ist die unterscheidende Thätigkeit des Denkens, welche gegen das Sein, die
blosse Einheit reagirt, nicht die blosse Verneinung des Seins, sie ist vielmehr
etwas positives. So wie das Denken im Sein die Einheit setzt, so setzt es in
der unterscheidenden Thätigkeit Unterschiede; diese geht aus der reinen
Abstraction des Seins heraus und reflectirt wieder auf die Unterschiede, von
welchen im Sein abstrahirt worden ist. Dadurch, dass Fischer in dieser Weise
die Verneinung des Seins bestimmt, wird der Standpunkt der Hegel’schen
Logik, der immanenten Selbstentwicklung des reinen Gedankens aufgegeben. Bei
Hegel soll das Denken des Seins an und für sich selbst zum Gegensatze, zum
Negativen treiben; nach Fischer tritt dem Denken des Seins ein anderes Denken,
die unterscheidende Thätigkeit gegenüber, und nur dieses tritt in Gegensatz
gegen jenes; die unterscheidende Thätigkeit, welche dem Denken des Seins
gegenübertritt, kann nur in der Reflexion auf die Unterschiede bestehen, welche
im Sein fallen gelassen worden sind. Es ist damit der Idealismus der Logik
aufgegeben, in welchem das Denken im Sein allen Inhalt ausser ihm vernichtet
hat, um sich nur aus sich selbst seinen Inhalt zu [/21] geben.
Fischer fasst das reine Denken, das in der Logik sich explicirt, nur von dem
Gesichtspunkt auf, dass es die nothwendige Denkfunction, das durch seine
eigenen Gesetze bestimmte Denken ist, und macht mit Nachdruck die
Unabhängigkeit dieses Denkens von der Anschauung, die Spontaneität, die
erzeugende Kraft dieses Denkens geltend. Es sind aber nur die
Denknothwendigkeiten, welche in der Metaphysik als die Grundbegriffe dargestellt
werden, von welchen alles Denkbare und mithin alles Seiende, so weit es
denkbar ist, abhängt.[24]
So betrachtet denn Fischer das Sein als Denkact; es ist das die Einheit
setzende Denken, welches sich in ihm ausdrückt. Dieses Denken wird aber vom Denken
verneint, weil es unterscheidende Thätigkeit ist; es verneint das Sein als
Einheit, und stellt ihm das Nichtsein entgegen. So fasst Fischer die Logik auf.
Wir halten diese Auffassung nicht für ganz adäquat. Vollkommen richtig ist,
dass in ihr das Denken für sich fixirt, in seine freie, reine Thätigkeit
versetzt wird, es wird in ihr das Denken dargestellt, wie es als freies
lediglich durch seine eigenen Gesetze sich bestimmt. Aber dabei bleibt Hegel
nicht stehen. Der bisherige Begriff der Logik (die formale Logik), sagt er[25],
beruht auf der im gewöhnlichen Bewusstsein ein für allemal vorausgesetzten
Trennung des Inhalts der Erkenntniss und der Form derselben. In der
speculativen Logik hat diese Trennung der Form und des Inhalts keine Geltung,
wie denn überhaupt die Philosophie von den empirischen Wissenschaften dadurch
sich unterscheidet[26],
dass in ihr die Trennung der Form und des Inhalts verschwindet, beide sich
vollständig durchdringen. Nicht das Denken erhält dadurch seine Wahrheit, dass
es sich nach dem Gegenstande [/22] fügt
und bequemt, sondern der Gegenstand hat seine Wahrheit in der Angemessenheit an
die Form des Denkens. Es ist dieser idealistische Begriff, wie er schon von
Kant ausgesprochen worden, auf welchem die Hegel’sche Logik beruht. Sie erkennt
nichts als wahr und wirklich an, als was der Form des Denkens gemäss ist; die
Formen des Begriffs sind der lebendige Geist des Wirklichen und von dem
Wirklichen ist nur wahr, was kraft dieser Formen, durch sie und in ihnen wahr
ist.[27]
Das Denken in seinen immanenten Bestimmungen und die wahrhafte Natur der Dinge
ist ein und derselbe Inhalt.[28]
Das Denken hat damit in seiner Form seinen Inhalt, und den allein wahrhaften
Inhalt. Indem die Logik Wissenschaft der absoluten Form ist, so muss dies
Formelle, damit es ein Wahres sei, an ihm selbst seinen Inhalt haben, welcher
seiner Form gemäss ist.[29]
Die Hegel’sche Logik beruht daher nicht blos darauf, das Denken für sich in
seiner nothwendigen Function zu fixiren, sondern sie besteht in der Kraft
dieses Denkens, allen von ihm unabhängigen, von ihm verschiedenen Inhalt zu
vernichten, um in sich in seiner Form den derselben angemessenen und damit
allein wahren Inhalt, das an sich Reale, zu haben. Hierin besteht das reine
Denken der Hegel’schen Logik. In diesem Sinne ist das Sein der ursprüngliche
Inhalt des Denkens, es ist desshalb die erste Definition Gottes, des Absoluten.
Es ist daher dieser Inhalt des reinen Denkens das schlechthin
Affirmative, welches nicht Sein, nicht das Affirmative, sondern Nichts ist; es
ist das Absolute, das Unendliche, welches damit das Gegentheil seiner selbst,
das Endliche ist. So haben wir es im Sinne Hegel’s aufzufassen, dass das Sein
Nichts ist. Fischer [/23] dagegen
sieht im Sein nur die nothwendige Denkfunction, welche die Einheit setzt mit
Aufhebung aller Unterschiede – die allgemeinste Vorstellung – , es ist nur das
schlechthin Denkbare, es ist Denkact. Als Denkact, als Formthätigkeit des
Denkens ist es nicht gleich Nichts; aber das Denken reagirt durch seine
Formthätigkeit gegen das Sein als Denkact und verneint es. Die Verneinung des
Seins ist somit ein blosser Process im Denken, während bei Hegel dieselbe ein
realer Process, ein Process des Seins als Inhalt des Denkens, und dabei
allerdings auch ein Process im Denken ist, weil das Denken eben wesentlich
diesen Inhalt hat. Würde von Fischer das Sein nicht als Denkform, sondern als
der Inhalt dieser Form genommen, so würde auch bei ihm eine Verneinung des
Seins, ein Nichtsein, als Gegensatz gegen das Sein sich nicht ergeben, sondern
das Denken würde als unterscheidende Thätigkeit im Sein den Unterschied
vermissen, und würde es damit als Nichts erkennen. Weil nun aber das Sein bei
Hegel nicht blosse Denkform, sondern der an sich reale Inhalt derselben ist,
ist die Verneinung desselben nicht die blosse Verneinung der Form des
Denkens, sondern der Realität desselben, indem das, was als Inhalt
dieses Denkens und als das allein Reale und Affirmative auftritt, vielmehr das
Nichts ist. Und weil das Nichts nicht blos die Verneinung der Denkform des
Seins, sondern desselben als des Inhalts des Denkens ist, indem dieser vielmehr
das Inhaltslose, d. h. das Nichts ist, haben wir im Sinne Hegel’s die Identität
von Sein und Nichts festzuhalten. Das Sein ist gleich Nichts; denn dieses ist der
Ausdruck seiner Unbestimmtheit; und ebenso ist das Nichts gleich Sein,
dasselbe, was das Sein ist; es ist nicht ein bestimmtes Nichts; es ist so wenig
in der Verneinung des Seins etwas positives enthalten, es wird so wenig etwas
demselben entgegengesetzt, [/24] dass
es vielmehr dieselbe Bestimmungslosigkeit, dieselbe Leerheit ist, wie das Sein.
Aber
neben dieser Identität von Sein und Nichts behauptet Hegel doch, dass
beide unterschieden sind, er bestimmt aber den Gegensatz nicht; die
Bestimmung des Gegensatzes würde nothwendig darauf zurückführen, dass in
demselben – nicht blos der Denkform des Seins eine andere Denkform, sondern –
der Realität des logischen Denkens, welche ihren reinen Ausdruck im Sein hat,
ein anderes Denken als real gegenübergestellt wird. Dieser Bestimmung des
Gegensatzes widerstrebt die Leerheit des Nichts, in welcher es gerade gleich
Sein ist, der Gegensatz ist daher nur eine Meinung. Dennoch wird er behauptet,
und auf dieser Behauptung allein beruht die Entwicklung der Hegel’schen Logik.
Diese Entwicklung wollen wir noch an den elementaren Begriffen des Werdens und
des Daseins verfolgen, um an denselben den Gang der Dialektik nachzuweisen.
Das
Werden beruht darauf, dass der blossen Identität von Sein und Nichts der nicht
bestimmte Gegensatz substituirt wird. Vermöge der blossen Identität geht das
Sein nicht in Nichts über, sondern ist in dasselbe übergegangen[30],
d. h. es ist gleich Nichts. Aber dieser Gleichheit wird der Gegensatz
substituirt, so geht das Sein in ihr ins Nichts als sein Gegentheil über,
verschwindet ins Nichts, und ebenso verschwindet das Nichts in das Sein. Dass
wir aber in diesem Wechsel in der That nur die ruhige, logische Identität oder
Gleichheit beider haben, drückt Hegel bestimmt genug aus, wenn er sagt[31]:
„Der Begriff des Seins kann nur darin bestehen, Werden zu sein: denn als das
Sein ist es das leere Nichts, als dieses aber das leere Sein.“ Ist denn das
leere Sein, welches das leere Nichts [/25] ist,
ein Vergehen, und das leere Nichts, welches das leere Sein ist, ein Entstehen?
Es
tritt nun aber doch mit dem Werden der Widerspruch auf, die Form und der
Hebel der dialektischen Entwicklung. Das Sein als Eins mit dem Nichts
verschwindet im Nichts, es besteht nur darin, sich selbst in sein Gegentheil
aufzuheben, und das Nichts ist nur darin, dass es als Eins mit dem Sein in das
Sein als sein Gegentheil sich aufhebt. Ihre Einheit drückt sich nur in diesem
Verschwinden des einen in das andere aus. Das Sein ist an ihm selbst nur Sein,
reines Sein, es ist unmittelbar, aber es ist doch eins mit dem Andern, es ist
nicht es selbst, sondern sein Gegentheil, verschwindet in dasselbe, und ist nur
Nichts, reines Nichts. Diese Unmittelbarkeit und die Einheit des Einen mit dem
Andern, worin es, indem es nur es selbst, vielmehr nicht es selbst, sondern
sein Gegentheil als solches ist, und sich selbst aufhebt, macht den Widerspruch
im Werden aus. A ist als A vielmehr non A als non A und umgekehrt. Dieser
Widerspruch beruht aber nur darauf, dass die blosse Identität von Sein und Nichts
dem Gegensatze gleichgesetzt wird. Das Wunder des Widerspruchs im Sein ist
etwas sehr natürliches, und seine Tiefe liegt auf der Oberfläche der logischen
Identität. Das Werden ist, sagt Hegel, die immanente Synthesis des Seins und
Nichts, die Synthesis a priori, worin das Sein an ihm selbst Eins mit seinem
Entgegengesetzten ist.[32]
Aber die verknüpfende Kraft in dieser Synthesis liegt in der blossen Identität;
sie ist keine Synthesis. Ein synthetisches Denken, welches im Sinne Kant’s über
das logische hinausgeht, ist auf diesem Wege nicht möglich.
Der
Widerspruch ist nothwendig, ist real; das Sein, bestimmt [/26] gedacht, ist Werden, widerspricht sich. Aber die
dialektische Methode beruht nun wesentlich darauf, dass das Denken mit dem
Widerspruch nicht still steht, indem der Begriff, als sich widersprechend, nur
ein nichtiger Begriff ist, sondern dass der Widerspruch gerade das Motiv des
Fortschritts des Denkens, seiner Entwicklung ist; sie zerstört nicht blos im
Widerspruch den gesetzten Begriff, sondern sie will durch ihn einen neuen,
höheren Begriff erzeugen. Sie muss daher eine klare, bestimmte Form geben, in
welcher der Widerspruch selbst zur Position eines neuen Begriffs forttreibt,
und der Widerspruch nicht unaufgelöst bleibt, sondern selbst seine Lösung in
einer neuen positiven Einheit erzeugt.
Wir
müssen, um, so viel als möglich, einen bestimmten Begriff über diese Seite der
Dialektik zu geben, zwei Momente unterscheiden:
1)
Ein gesetzter Begriff hebt sich selbst auf. „Die wahrhafte Dialektik[33]
lässt an ihrem Gegenstande gar nichts übrig, so dass er nur nach Einer Seite
mangelhaft sei, sondern er löst sich seiner ganzen Natur nach auf. Das Resultat
dieser Dialektik ist Null, das Negative, das Affirmative kommt darin nicht vor.
Dieser wahrhaften Dialektik kann das zugesellt werden, was die Eleaten gethan
haben. Sie sind dabei stehen geblieben, dass durch den Widerspruch der
Gegenstand ein nichtiger sei.“ So sehr darin eine wahrhafte Dialektik besteht,
so darf man doch hiebei nicht stehen blieben.
2)
„Was sich widerspricht[34],
ist Nichts. So richtig diess ist, so unrichtig ist es zugleich. Der Widerspruch
ist concret, er hat noch einen Inhalt, er enthält noch solche, die sich
widersprechen.“ Indem die Dialektik zu ihrem Resultat das Negative hat[35],
so ist [/27] dieses, eben als Resultat,
zugleich das Positive; denn es enthält dasjenige, woraus es resultirt, als
aufgehoben in sich, und ist nicht ohne dasselbe. Das Resultat[36]
der Dialektik ist nicht das leere abstracte Nichts, sondern die Negation
gewisser Bestimmungen, welche im Resultate eben desswegen enthalten sind, weil
diess nicht ein unmittelbares Nichts, sondern ein Resultat ist. So kommt es
darauf an, die Resultate in ihrer Wahrheit, das bestimmte Resultat
festzuhalten; darin besteht das positive Ergebniss der Dialektik.
Aber
damit besteht die Position, die in der dialektischen Negation eines gesetzten
Begriffs enthalten ist, nur darin, dass der gesetzte Begriff, der sich aufhebt,
erhalten bleibt. Die Negation ist Negation einer Position; so muss mit ihr die
Position, deren Negation sie ist, festgehalten werden. Darin gerade besteht der
neue Begriff, der sich durch die dialektische Negation bildet. „Die Negation[37]
als bestimmte Negation, welche einen Inhalt hat, ist ein neuer Begriff, aber
der höhere, reichere Begriff als der vorhergehende; denn sie ist um dessen
Negation oder Entgegengesetztes reicher geworden, enthält ihn also, aber auch
mehr als ihn, und ist die Einheit seiner und seines Entgegengesetzten.“ Der
erste Begriff ist aufgehoben, d. h. er ist in die Einheit mit seinem
Entgegengesetzten getreten; er hat seine Unmittelbarkeit verloren, ist aber
darin nicht vernichtet, sondern ist zum Moment geworden; so ist er aufgehoben,
er ist in seiner Negation zugleich erhalten und aufbewahrt.[38]
So
haben wir im Widerspruch nicht die blosse Nichtigkeit eines Begriffs, im
Sichaufheben eines Begriffs nicht das blosse Nichts, sondern es bildet sich
darin ein neuer höherer Begriff. Das non A [/28] ist
eben nicht ein blosses Nicht, in welchem das A völlig verschwunden ist, sondern
als non A enthält es zugleich A, und A ist nicht mehr darin eben A, sondern es
ist A und non A; es ist Einheit seiner und seines Entgegengesetzten. Das ist
der neue Begriff. Das Erste, das Unmittelbare ist zunächst in seinem Andern,
dem Negativen untergegangen.[39]
Wir müssen dieses Negative in seiner ganzen Schärfe festhalten, aber „das
Andere ist wesentlich nicht das leere Negative, das Nichts, das als das
gewöhnliche Resultat der Dialektik genommen wird, sondern es ist das Andere des
Ersten, das Negative des Unmittelbaren; also ist es bestimmt als das
Vermittelte, und enthält die Bestimmung des Ersten in sich.“ Man sieht daher,
der Widerspruch im Hegel’schen Sinne beruht wesentlich darauf, dass ein
Positives an ihm selbst seine Negation ist, ein Eins an ihm selbst sich
entgegengesetzt ist. Aber eben darin liegt es, dass das Denken durch den
Widerspruch fortschreitet, neue, höhere Begriffe erzeugt. Gerade durch die
Negation schreitet das Denken fort; nicht liegt erst im Widerspruch das Motiv
für das Denken, durch seine Lösung weiter zu gehen, sondern der Widerspruch ist
das Weitergehen selbst. So haben wir schon im Nichts als dem zweiten Begriff
zum ersten des Seins diesen Widerspruch, diesen Fortschritt durch Negation. Das
Werden beruht darauf, dass das Sein um seine Negation reicher geworden, dass es
Einheit seiner selbst und seines Entgegengesetzten ist; das Sein ist darin als
Vergehen bestimmt, es ist diess ein neuer Begriff, und dass ebenso das Nichts
in das Sein übergeht, ist nur der andere Ausdruck für diese Einheit des Seins
und seines Entgegengesetzten.
Eben
damit aber, dass das Sein ins Nichts verschwindet, und [/29] das
Nichts ins Sein u. s. f., ist das Werden der reine Widerspruch, in welchem
jedes nur ist als sich aufhebend in sein Gegentheil. Es entsteht nun die
Forderung, dass der Widerspruch aufgehoben werde, und das Denken, wie es in der
Erzeugung des Widerspruchs fortschreitet, soll fortschreiten durch die Lösung,
die Aufhebung dieses Widerspruchs. Wie das Denken von der Form der Identität im
Sein ausgeht, so muss der Gegensatz, der aus dem Sein entspringt, auch wieder
zur Einheit zurückgebracht werden. So entsteht denn durch die Lösung des
Widerspruchs im Werden ein neuer Begriff, das Dasein. „Das Sein im
Werden“, wird gesagt[40],
„als Eins mit dem Nichts, so das Nichts als Eins mit dem Sein sind nur
verschwindende, das Werden fällt durch seinen Widerspruch in sich in die
Einheit, in der beide aufgehoben sind, zusammen; sein Resultat ist somit das
Dasein.“ Zur Erläuterung wird beigefügt: es sei an diesem ersten Beispiel ein
für allemal an das zu erinnern, was in der Bestimmung der Methode über das
Resultat der Dialektik bemerkt worden sei[41];
es komme also hier darauf an, einzusehen, dass die Negation die Negation von
gewissen Bestimmungen ist, welche in ihr als Resultat enthalten sind; es komme
darauf an, die Resultate in ihrer Wahrheit festzuhalten; das allein könne einen
Fortgang und eine Entwicklung im Wissen begründen. Dass wir also durch Negation
fortschreiten, aber eine Negation, in welcher das, was darin negirt wird,
erhalten bleibt, die Form, in welcher der Widerspruch, wie wir gezeigt haben,
entsteht, eben diese Form ist es auch, durch welche der Widerspruch selbst
wieder zur Einheit aufgehoben wird.
Die
Form der Lösung des Widerspruchs im Werden und die Bildung eines neuen Begriffs
in dieser Lösung besteht demgemäss darin: [/30] 1)
Sein und Nichts gehen in ihrem Ineinanderverschwinden zur unterschiedlosen Einheit
zusammen; indem das Verschwinden des einen in das andere nur der Ausdruck ihrer
Einheit ist, welche dem Gegensatze gleichgesetzt wird, kommt ebendamit auch nur
ihre Einheit zustande; im Verschwinden des einen in das andere verschwindet ihr
Unterschied. Wir haben damit nur die unterschiedlose Einheit; der Widerspruch
löst sich in Null auf. Das Resultat des Widerspruchs ist aber 2) doch nicht
blos Null; die Einheit, die im Werden zu Stande kommt, ist Einheit von Sein
und Nichts, d. h. es wird, nachdem der Unterschied in die
ununterschiedene Einheit aufgelöst worden, doch wieder der – gemeinte –
Unterschied festgehalten; der Unterschied ist in der Einheit aufgehoben und
zugleich enthalten; die einfache, unterschiedlose Einheit ist Einheit von Sein
und Nichts; sie ist das mit der Negation identische Sein, das bestimmte Sein,
das Dasein. Wir haben somit im ersten Moment nur die Einheit, die
unterschiedlose Einheit des Sein und Nichts, ihre ruhige, logische Identität,
und mit dieser wird im zweiten Moment zugleich der Unterschied wieder nur
behauptet; aber die Lösung eines wirklichen Widerspruchs und die Bildung eines
neuen Begriffs in dieser Lösung haben wir nicht; wir haben nicht die Einheit
in einem wirklichen Gegensatze. Das Dasein ist Einheit von Sein und
Nichts; „der Gegensatz ist, als ob er verschwunden wäre“[42];
es ist Sein mit einem Nichtsein, so dass diess Nichtsein in die einfache
Einheit mit dem Sein aufgenommen ist.[43]
In dieser einfachen Einheit ist der Gegensatz versteckt; wir sollen eine
Einheit des Seins und Nichtseins haben, ohne ihren Gegensatz zu denken;
d. h. sie schliesst nur den gemeinten Unterschied beider in sich. [/31]
So
haben wir nur die Einheit ohne den wirklichen Gegensatz. Es findet aber in der That
auch das umgekehrte statt: wir haben den Gegensatz ohne die Einheit. Der Satz:
Sein und Nichts ist dasselbe, ist, sagt Hegel[44],
von dem härtesten, was das Denken sich zumuthet; denn Sein und Nichts sind
der Gegensatz in seiner ganzen Unmittelbarkeit, d. h. ohne dass in dem
einen schon eine Bestimmung gesetzt wäre, welche dessen Beziehung auf das
andere enthielte. Hegel setzt freilich hinzu: sie enthalten aber diese
Bestimmung, weil eben Sein als das Leere gleich Nichts ist und umgekehrt, und
die Deduction ihrer Einheit ist ganz analytisch; es ist gar kein
Gegensatz vorhanden, in der analytischen Einheit beider ist nichts
verwunderliches, sie ist nicht „von dem Härtesten, was das Denken sich
zumuthet.“ Wenn aber in dem einen nicht schon eine Bestimmung gesetzt
ist, welche seine Beziehung auf das andere enthält, wenn somit diese Beziehung,
die Identität nur für unsere Reflexion vorhanden ist, und erst in der weiteren
Entwicklung selbst hervortritt, so haben wir am Anfange in der That nur den
Gegensatz, den Dualismus von Sein und Nichts, so dass wir erst von diesem aus
zur Einheit kommen. In der That wird dieser Gang der Entwicklung von Hegel in
folgenden Worten ausgesprochen[45]:
„Sein ist Sein, und Nichts ist Nichts nur in ihrer Unterschiedenheit von
einander; in ihrer Wahrheit aber, in ihrer Einheit, sind sie als diese
Bestimmungen verschwunden. Sein und Nichts sind dasselbe; darum, weil sie
dasselbe sind, sind sie nicht mehr Sein und Nichts (bei Hegel
unterstrichen) und haben eine verschiedene Bestimmung; im Werden waren sie
Entstehen und Vergehen, im Dasein als einer anders bestimmten Einheit sind sie
wieder anders be- [/32] stimmte
Momente; diese Einheit bleibt nun ihre Grundlage, aus der sie nicht mehr zur
abstracten Bedeutung von Sein und Nichts heraustreten.“ Wenn demnach Sein und
Nichts, indem sie dasselbe sind, in ihrer Einheit im Werden und im Dasein nicht
mehr Sein und Nichts sind, so ist der Ausgangspunkt der Unterschied beider,
worin Sein = Sein und Nichts = Nichts ist, somit der Dualismus. Ich mache
hiebei auf den Unterschied der Art aufmerksam, in welcher in der Encyclopädie
und in der Logik das Werden deducirt wird. Nach jener[46]
ergibt sich einfach daraus, dass, wie das Sein dasselbe ist mit dem Nichts,
ebenso das Nichts dasselbe ist, was das Sein ist, als die Wahrheit des Seins,
so wie des Nichts, die Einheit beider, das Werden. Die Logik begnügt sich nicht
mit dieser „Dieselbigkeit“ von Sein und Nichts; die Wahrheit ist[47]
– davon wird ausgegangen – nicht ihre Ununterschiedenheit, sondern dass sie nicht
dasselbe, dass sie absolut unterschieden, aber ebenso ungetrennt und untrennbar
sind, und unmittelbar jedes in seinem Gegentheil verschwindet. Es ist die
Untrennbarkeit des absolut Unterschiedenen, nicht die abstracte Dieselbigkeit[48],
vermöge deren das Werden als Uebergehen des einen in sein Gegentheil gesetzt
ist. „Das Werden[49], Entstehen
und Vergehen ist die Ungetrenntheit von Sein und Nichts, die Einheit, in
welcher sowohl Sein als Nichts ist. Aber indem Sein und Nichts, jedes
ungetrennt von seinem Andern ist, ist es nicht, sie sind in dieser Einheit als
verschwindende, als aufgehobene. Sie sinken von ihrer zunächst vorgestellten
Selbstständigkeit zu Momenten herab, noch unterschiedenen, aber
zugleich aufgehobenen.“ Das Werden setzt also den absoluten Unterschied voraus,
und die Einheit ist eben [/33] nur
die Untrennbarkeit des absolut Unterschiedenen. Die Entwicklung geht vom
Gegensatz in seiner ganzen Unmittelbarkeit, d. h. vom Dualismus aus, um von
demselben durch die Untrennbarkeit der Glieder des Gegensatzes zur Einheit im
Werden und im Dasein fortzugehen, worin die abstracte Bedeutung von Sein und
Nichts, in welcher Sein nur Sein, und Nichts nur Nichts ist, verschwindet.
Allein mit der blossen Untrennbarkeit der Glieder des Gegensatzes ist nicht ihre
Einheit gegeben, in welcher das Sein und Nichts verschwindet und umgekehrt, so
wenig als z. B. mit der Untrennbarkeit von Oben und Unten gegeben ist, dass das
Oben sich selbst zum Unten aufhebt.[50]
Die Einheit von Sein und Nichts verträgt den wirklichen Gegensatz nicht, so wie
dieser jene nicht zulässt.
Hegel
hält die Wahrheit und Realität des logischen Denkens, dessen Form die Identität
ist, fest, und gibt derselben ihren scharfen Ausdruck: das Sein, der innere
schlechthin angemessene Inhalt dieser Form, ist das Reale, das allein Reale, so
dass in demselben die Differenz der Form des Denkens und eines ihm gegebenen
Inhalts verschwunden ist; das Reale ist daher das Eine Absolute, die Eine
Substanz, nicht ein Verhältniss von vielen Substanzen. Indem Hegel von diesem
Begriffe ausgeht und denselben festhält, macht sich aber doch bei ihm der
entgegengesetzte Begriff des Realen geltend: es ist die Synthesis des
Unterschiedenen. Das Sein, welches an sich das Absolute ist, wird damit selbst
Glied eines Verhältnisses. Daher soll aus dem Einen Absoluten, ausser welchem
nichts ist, ein von ihm Differentes entspringen, und die wahre Einheit ist
nicht das einfache, unterschiedlose Sein, sondern die Einheit des Seins und des
von ihm Differenten, ihm Entgegengesetzten, worin dasselbe nur Moment ist. [/34] Aber das vom Sein als dem Absoluten Differente kann
unmöglich ein Positives, Seiendes sein; das Absolute kann nicht Glied einer
Reihe sein und im Verhältniss zu anderen Wesen stehen. Damit würde der
Begriff des Absoluten, welcher die Voraussetzung bildet, schlechtweg
aufgehoben. Es kann nur das Negative, das Nichtsein, nur die leere Verneinung
des Seins sein, in welcher nichts Positives enthalten ist, damit doch das Sein
das Absolute bleibe. Der Begriff des Absoluten duldet keine wahre, reale
Differenz, kein von ihm verschiedenes, von ihm unabhängiges, für sich
bestehendes Wesen. So ist bei Fichte das Ich, als der reine Inhalt des Denkens,
das allein Reale, das Absolute, ausser welchem nichts ist. Aber es ist für ihn
doch das Reale eine Synthesis des Verschiedenen; das absolute Ich wird zum
Glied eines Verhältnisses herabgedrückt; damit jedoch das Ich, so viel möglich,
das Absolute bleibe, ist das zweite Glied dieses Verhältnisses das blos
Negative des ersten, das Nichtich, obwohl dasselbe nur durch das Positive, das
sich in ihm versteckt, zu einer das Ich bestimmenden, beschränkenden,
verendlichenden Macht werden kann.
Unter
dieser Voraussetzung ist nun aber eine Synthesis des Unterschiedenen, worin für
Hegel doch das eigentliche Reale besteht, nicht möglich. Diess wollen wir noch
am Begriff des Daseins näher nachweisen.
Das
Dasein ist Sein mit Negation, und damit bestimmtes Sein; das Nichtsein in die
einfache Einheit mit dem Sein aufgenommen macht die Bestimmtheit als
solche aus.[51] Das Nichts
ist somit in diesem Begriffe nicht mehr der Ausdruck der Bestimmungslosigkeit
des Seins, und das Sein ist nicht mehr gleich Nichts, sondern es ist das Reale,
das volle Reale, und das Nichtsein ist als seine Negation, [/35] seine Schranke; das Sein ist in der Einheit mit dem
Nichtsein beschränktes, bestimmtes Sein. So ist der Begriff des Daseins der
Ort, worin das Absolute ins Verhältniss eintritt, und zwar soll sich hier das
wirkliche Verhältniss bilden, worin das zweite Glied nicht blos das Negative
des ersten als des an sich Absoluten, sondern ein Positives, ein Seiendes ist
und damit das erste Glied selbst den Charakter der Absolutheit ablegt. Der
Begriff des Etwas und des Andern tritt an die Stelle des Seins und Nichts. Das
Verhältniss des Etwas und des Andern ist „die Trennung in der Verbindung und
die Verbindung in der Trennung“.[52]
Hier, scheint es, treten wir somit aus der logischen Einheit des Absoluten, in
welcher kein Unterschied ist, heraus zur synthetischen Einheit. – Sehen wir,
auf welche Weise Hegel diesen Begriff entwickelt.
Es
ist klar, dass der Begriff der Einheit des Seins mit dem Nichtsein, worin das
Sein „in sich verneint“ ist, ohne den Gegensatz des Seins und Nichtseins sich
nicht denken läßt. Dennoch ist das Dasein „die einfache Einheit des
Seins und des Nichtseins“, „der Gegensatz ist als ob er verschwunden wäre“, er
ist darin „versteckt“. „Die Beziehung, in der die Bestimmtheit (d. h. das
Nichtsein) mit dem Sein steht, ist die unmittelbare Einheit beider, so dass
noch keine Unterscheidung gesetzt ist“.[53]
Das Dasein ist am Anfange unterschiedlos, es ist als Dasein Unmittelbares,
Beziehungsloses, oder es ist in der Bestimmung des Seins.[54]
Das Dasein ist somit nicht Sein mit Negation, es ist vielmehr absolute, mit
sich identische Position. Die Bestimmtheit ist nicht Negation des Seins,
sondern der positive Inhalt desselben; sie ist die Qualität – ein ganz
Einfaches, Unmittel- [/36] bares.[55]
Dieser Begriff der Qualität, des qualitativen Seins wird nicht aus der
Verneinung des Seins abgeleitet, – und kann nicht daraus abgeleitet werden,
weil das Was nicht in der blossen, leeren Negation des Seins besteht, sondern
ein Positives ist – ; vielmehr tritt an die Stelle des abstracten Seins,
welches nicht Etwas, sondern Nichts ist, das Was als Sein; das was ein
Gegenstand ist, wird als mit sich identisch, einfach, unmittelbar gedacht, es
wird in die an sich leere Form des Seins aufgenommen; es ist das bestimmte
logische Reale.
Nach
Hegel ist das Etwas an ihm selbst zugleich sein Anderes, sein Gegentheil, es
ist an ihm selbst Einheit mit dem entgegengesetzten Andern; dass das
qualitative Sein diese Einheit, diese synthetische Einheit ist, darin gerade
zeigt sich die Macht der Dialektik. Es ist aber klar, dass aus dem qualitativen
Sein, dem Einfachen, Unmittelbaren, Beziehungslosen, dieses Verhältniss nicht
entwickelt werden kann. Es wird nur dadurch aus ihm entwickelt, dass es Einheit
des Seins und Nichtseins sein soll, dass der Gegensatz des Seins und Nichtseins
in seiner Einfachheit versteckt ist, und dieser Gegensatz selbst damit einen
bestimmten Inhalt bekommt: so wird das Sein zum Etwas, und das Nichtsein zum
Andern des Etwas, und das Etwas als Einheit des Seins mit dem Nichtsein ist an
ihm selbst ein Anderes. Diese Einheit des Seins mit dem Nichtsein führt aber
auf die logische Identität des Seins mit dem Nichts zurück. Dass das
qualitative Sein an ihm selbst zugleich sein Gegentheil ist, dass das Rothe
nicht roth, sondern weiss ist, ist unmöglich zu denken, unmöglich nach Hegel
selbst, für welchen die Qualität das ganz Einfache, Unmittelbare,
Unterschiedlose ist; aber dass das Sein, welches nicht Etwas ist, Nichts ist,
lässt sich sehr wohl denken, und nur durch diese Identität von [/37] Sein und Nichts ist das Etwas das Andere seiner selbst;
d. h. wir haben nur die Einheit ohne einen Unterschied.
Halten
wir aber die Bedeutung des Nichts als Nichtseins fest, so dass das Etwas als
Einheit des Seins und des Nichtseins Einheit seiner selbst und seines Andern
ist, so werden wir auf den blossen Unterschied des Etwas und des Andern ohne
Einheit kommen. Der Begriff der wesentlichen Einheit des Etwas mit seinem
Negativen, dem Andern, worin das Anderssein die eigene Bestimmung des Etwas
ist, und sein Unterschied von letzterem, worin das Etwas in seiner Verneinung,
seinem Anderssein sich selbst erhält, gibt allerdings zunächst den Begriff des Seins-für-Anderes,
worin Etwas gegen Anderes aufgeschlossen ist, in affirmativer Gemeinschaft mit
seinem Andern steht.[56]
Allein diesem Sein-für-Anderes, der Beziehung auf Anderes tritt das Etwas als Ansichsein
gegenüber; d. h. an die Stelle der Einheit des Etwas mit dem Andern im
Unterschied tritt der blosse Unterschied, der blosse Gegensatz des Etwas und
seines Andern, die logische Identität des Etwas mit sich und seine logische
Unterscheidung vom Anderen, als seiner Negation. Sofern das Andere eben die Verneinung
des Etwas ist, gegen welche dieses sich selbst erhält, findet blos das
Verhältniss der Entgegensetzung zwischen beiden statt, eine affirmative
Gemeinschaft, eine Verbindung in der Unterscheidung, ist nicht möglich; wir
haben nur den Gegensatz ohne Einheit. Die dialektische Einheit des Etwas mit
seinem Andern zersetzt sich in die blos logische Einheit durch Identität und in
die blos logische Unterscheidung, welche nicht als solche zugleich die
Verbindung zulässt. Aber wenn das Reale als Qualität, als Etwas gedacht wird,
ist in der That nur letzteres möglich. Etwas kann von einem [/38] Andern entgegengesetzter Qualität nur unterschieden werden;
das Andere ist nur die Negation, das Nichtsein des Etwas; Hegel hat dieser Form
des Verhältnisses ihren bestimmten, reinen Ausdruck gegeben, indem er sie auf
den Gegensatz des Seins und Nichtseins zurückgeführt hat; in diesem Gegensatz
ist es aber eben ausgedrückt, dass eine Einheit in diesem Unterschiede nicht
möglich ist.
Um,
wie die Dialektik will, über das logische Denken hinauszugehen zum
synthetischen, realen Denken, zur Verbindung in der Unterscheidung, darf die
Unterscheidung nicht durch die Qualität bestimmt sein. Dass es eine
Unterscheidung unabhängig von der Qualität gibt, wird man zunächst leicht aus
dem Begriff der Quantität erkennen. Im Raum unterscheiden sich die Dinge
unabhängig von ihrer Ungleichartigkeit.[57]
Sind die Dinge blos durch die Qualität unterschieden, – Substanzen
unterscheiden sich nur durch ihre Attribute – , so führt diess unausbleiblich
zu der Substantialität des Allgemeinen; denn dann sind die Einzelwesen, sofern
sie gleichartig sind, nicht real von einander unterschieden, sie sind keine
Substanzen, sie sind real Eins und unterschieden nur von den Dingen anderer
Art, d. h. das Allgemeine ist Substanz; wenn die Einzelwesen Substanzen sind,
d. h. als Einzelwesen reell von einander unterschieden sind, so beruht diese
Unterscheidung nicht auf der Qualität. Gehen wir aber von der Unterscheidung in
der Verbindung aus, wie diese durch die Dialektik im Anschluss an Kant
gefordert ist, so haben wir im Wesen entgegengesetzte Functionen, die
Unterscheidung wirkt der Verbindung entgegen, in dieser Gegenwirkung wird B als
ein selbstständiges von A unabhängiges Wesen gesetzt, als ein solches
von A unterschieden, nicht blos seiner Qualität nach. So ist die Repulsion,
welche nur [/39] möglich ist als der
Attraction entgegenwirkend, sehr verschieden von der logischen Unterscheidung,
so gewiss die Attraction sehr verschieden ist von der blos logischen Identität
der sich repellierenden Eins, in welche Hegel dieselbe auflöst.[58]
In dieser Form der Unterscheidung, welche der Verbindung entgegenwirkt, wird B
als B von A unterschieden, nicht blos als non A. Hier erst haben wir ein
wirkliches Verhältniss des Seienden zum Seienden, des Wesens zum Wesen, nicht
blos das Verhältniss des Seins zum Nichtsein. Hier erst haben wir eine
Gemeinschaft der Substanzen. So stehen die Menschen in der sittlichen
Gemeinschaft nicht blos im Verhältniss der gegenseitigen Beschränkung, sondern
sie gründet sich auf die Verbindung, die Einigung des B mit dem A, welcher die
Unterscheidung als die Position der Selbstständigkeit des B
entgegenwirkt. Ein blosses Verhältniss der gegenseitigen Beschränkung, worin
der Eine zum Andern als Nichtich sich verhält, gibt keine Gemeinschaft. Kant
nennt die synthetischen Urtheile Erweiterungsurtheile, eine treffende
Bezeichnung des eigentlichen Charakters der synthetischen Verbindung, welche
die Unterscheidung in sich enthält. Sie ist eine Einigung mit dem Andern als
selbstständigem Wesen, d. h. eine Erweiterung; sie ist etwas ganz anders als
blosse Selbsterhaltung des Wesens gegenüber dem Andern als seiner Negation, und
etwas ganz anders als das Verhältniss der blossen gegenseitigen Beschränkung.
Und nicht blos die sittliche Gemeinschaft besteht in dieser Form der
synthetischen Verbindung, und beruht auf dem Triebe der Erweiterung (dem Willen),
welcher gerade an der Unterscheidung der Andern als selbstständiger Individuen
sein Gesetz, die Bedingung seines Actus hat, sondern die Gemeinschaft der Wesen
überhaupt, in welcher wir das wahre Reale zu erkennen [/40] haben.
Nirgends sehen wir den blossen dumpfen, in sich versunkenen Trieb der
Selbsterhaltung, sondern überall bemerken wir einen Drang aus sich heraus, über
sich selbst hinauszugehen, andere Wesen mit sich zu verbinden und sich durch
sie zu erweitern, und darin sich mit ihnen in die Einheit eines geordneten
Ganzen einzufügen; das logische Gesetz der Identität, worin Etwas eben nur es
selbst ist, mit sich identisch ist, und in Anderem nur seine Negation hat, um
gegen es sich selbst zu erhalten, hat im Realen keine Geltung. Wir können es nicht
ertragen, dass die Seele ein einfaches mit sich identisches Was sein soll, das
eben als solches sich selbst gegen äussere Störungen erhält, und bleibt was es
ist, ohne ein Streben aus sich herauszugehen, ohne Trieb, ohne Willen, und man
sollte, indem man zu letzterem Begriff fortgeht, jenen logischen Begriff des
Seelenwesens, der das Leben der Seele tödtet, ganz verabschieden. Wir müssen
anerkennen, dass die Hegel’sche Dialektik dem von uns geforderten Begriffe sehr
nahe steht. „Die Identität“, sagt Hegel, „ist die Bestimmung des einfachen
Unmittelbaren, des todten Seins. Die abstracte Identität mit sich ist noch
keine Lebendigkeit, sondern dass das Positive an sich selbst die Negativität
ist, dadurch geht es ausser sich und setzt sich in Veränderung. Die innere, die
eigentliche Selbstbewegung, der Trieb überhaupt ist nichts anders, als
dass Etwas in sich selbst und der Mangel, das Negative seiner selbst,
in einer und derselben Rücksicht ist“.[59]
So beruht Etwas nicht blos in sich selbst, und erhält sich selbst, sondern es
„geht ausser sich“, damit es um sein Entgegengesetztes „reicher“ werde; so
greift „ein Existirendes in seiner positiven Bestimmung über seine negative
über, und hält eine in der andern fest.“ Etwas ist nicht blos, indem es mit
sich [/41] identisch ist, vom Andern
unterschieden, sondern es ist an ihm selbst die Einheit mit seinem
Andern. Durch diesen Begriff der Einheit im Unterschiede allein ist
Hegel berechtigt, für seine Dialektik eine reale Geltung zu vindiciren, während
die blosse logische Unterscheidung, in welcher nur ausgedrückt ist, dass ein
Wesen nicht ein anderes Wesen ist, nicht der Begriff des Realen sein kann.
Jedoch glaube ich gezeigt zu haben, dass der Hegel’sche Begriff nur auf diesen
zurückführt; es ist klar, dass die Einheit des Etwas mit seinem Negativen
keine Erweiterung desselben ist; sie ist in der That keine Einheit, sondern nur
die Selbsterhaltung des Etwas gegenüber seinem Negativen.
Die
dialektische Einheit zersetzt sich in die logische Identität und die logische
Unterscheidung; sie will die Einheit in der Unterscheidung sein, sie verbindet
beides, die logische Einheit und die logische Unterscheidung, in der Einheit
des Entgegengesetzten, des A und non A, im Widerspruch. Sie löst den
Widerspruch nicht in der Einheit des Entgegengesetzten, sondern diese Einheit
ist der Widerspruch. Das Dasein ist nicht die Lösung des Widerspruchs im
Werden, sondern gerade weil es die Einheit von Sein und Nichts ist, in welcher
der Unterschied enthalten ist, ist es der Widerspruch.[60]
Indem in dieser Einheit des Entgegengesetzten das Reale bestehen soll, so sind
„alle Dinge sich widersprechend“, und dieser Satz drückt die Wahrheit und das
Wesen der Dinge aus.
In
der dialektischen Einheit wird die synthetische Einheit des Unterschiedenen innerhalb
des Standpunkts des logischen Denkens festgehalten. Es kommt darauf an, beides
bestimmt auseinander zu halten, die Vermischung des logischen und synthetischen
Denkens in [/42] der Dialektik aufzulösen;
im synthetischen Denken kann die Verbindung und die Unterscheidung nicht eine
logische sein. Wir haben den subjectiven Werth des logischen Denkens zu
erkennen, von der Voraussetzung der Realität desselben entschieden weg zu
kommen. Das Denken, welches durch Identität verknüpft (und durch Ungleichartigkeit
unterscheidet), beruht in der That nur auf dem subjectiven Gesetz des
Bewusstseins, vermöge dessen verschiedene Vorstellungen als Vorstellungen durch
die Identität ihres Inhalts zur Einheit Einer Vorstellung zusammengehen, worin
die allgemeine Vorstellung und mit dieser auch der allgemeine Begriff entsteht.
Finden wir nun, was durch nähere Untersuchung der Denkfunctionen zu beweisen
ist, dass wir noch auf andere Weise denken, dass wir im Denken Verschiedenes
als solches verknüpfen, worauf schon das Urtheil und noch mehr der Schluss
hinweist, so kann dieses Denken nicht eine blosse Verknüpfung von Vorstellungen
sein, sondern es müssen darin Wesen gedacht werden, welche an ihnen selbst in
Einem im Verhältniss der Trennung und der Verbindung zueinander stehen, welche
an ihnen selbst die Einheit der beiden Functionen sind. Es ist wohl leicht zu
erkennen, dass beide Denkformen im Urtheil und Schluss ineinander sind; es
kommt darauf an, die objective Denkform durch Scheidung von der
subjectiven aus den Denkfunctionen zu entwickeln, es ist aber nicht möglich,
aus dem logischen Denken, sofern dieses in der Verknüpfung durch Identität
besteht, und sein Gesetz das Gesetz der Identität ist, selbst das synthetische
mit seinen Kategorieen abzuleiten, wie diess schon von Kant in der Deduction
der Kategorieen aus den an sich analytischen Urtheilsformen versucht worden
ist.
Ein
solcher Versuch, vom logischen Denken aus zum synthetischen zu kommen, ist auch
die Hegel’sche Dialektik. Es ist der innere Inhalt des logischen Denkens,
welcher an ihm selbst in sein [/43] Entgegengesetztes
übergeht, und dieses wieder zur concreten, synthetischen Einheit mit sich
verknüpft. Wenn wir nun gleich nicht zugestehen können, dass die Dialektik
hiemit die Aufgabe, welche sie sich gestellt hat, gelöst habe, so müssen wir
doch geltend machen, dass in dieser Tendenz vom logischen Denken zum
synthetischen fortzugehen, der philosophische Werth der Hegel’schen Methode
liegt. Die Methode überhaupt ist die Form, in welcher das natürliche Denken den
Dingen angemessen ist. Die Philosophie hat im Denken selbst, in seiner inneren
Natur, diese Form aufzuzeigen; und sie hat nur ihre Methode auszubilden
und zu entwickeln, damit sie eine reale Wissenschaft werde.
© 2000 Dirk Fetzer
[1] Hegel’s Werke VI. §. 79 u. d. f. [G. W. F. Hegel’s Werke, Berlin 1832-1845 (Freundesverein-Ausgabe), entspricht der Jubiläumsausgabe, hrsg. v. Hermann Glockner, Stuttgart 1927-1930.]
[2] VI. S. 242.
[3] IV. S. 67.
[4]
VI. S. 102.
[5] VI. S. 87.
[6] Kant’s Werke v. Hartenstein III. S. 382. 383. II, S. 232-235. [Immanuel Kant’s Werke, hrsg. v. Gustav Hartenstein, Leipzig 1838-39.]
[7] Hegel’s Werke VII. 2. S. 354.
[8] vgl. Hegel’s Werke V. S. 50.
[9] V. S. 336.
[10] V. S. 119.
[11] VI. S. 150.
[12] V. 331.
[13] V. S. 330.
[14] S. 329 vgl. VI. S. 266.
[15] III. S. 72.
[16] II. S. 224.
[17] VIII. S. 41. vgl. III. S. 94. 95.
[18] III. S. 78.
[19] Encycl. § 86.
[20] Encycl. § 78.
[21] III. S. 100.
[22] I. S. 119 u. d. f.
[23] System der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre. 2. Aufl. [Heidelberg 1865] §. 77.
[24] System der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre. 2. Aufl. §. 3.
[25] Hegel’s Werke III. S. 28.
[26] VI. S. 266.
[27] VI. S. 319.
[28] III. S. 29.
[29] V. S. 29. vgl. S. 27. u. VI. S. 53.
[30] III. S. 79.
[31] VI. S. 76.
[32] III. S. 96.
[33] XIII. S. 311.
[34] XII. 2. Aufl. S. 498.
[35] VI. S. 157.
[36] VI. S. 157.
[37] III. S. 41.
[38] III. S. 110. 111.
[39] V. S. 340.
[40] Encycl. §. 89.
[41] §. 82. s. oben (VI. S. 157).
[42] VI. S. 175.
[43] III. S. 113.
[44] VI. S. 171.
[45] III. S. 111.
[46] Encycl. §. 88.
[47] Hegel’s Werke III. S. 79.
[48] S. 90.
[49] S. 108.
[50] Vgl. IV. S. 70.
[51] III. S. 113.
[52] K. Fischer, System der Logik und Metaphysik §. 82.
[53] Hegel’s Werke III. S. 114.
[54] III. S. 120. 125.
[55] III. S. 114.
[56] Encycl. §. 91. Werke III. S. 126. 133.
[57] Vgl. Kant II, 262. 268.
[58] Encycl. §. 98.
[59] Hegel’s Werke IV. S. 68. 69.
[60] Vgl. Herbart Encyclop. Zweite Ausg. S. 291. [Johann Friedrich Herbart, Kurze Encyclopädie der Philosophie, 2. Aufl. Halle 1841.]